'Placebo-Effekt' oder wie wir unser Gehirn überlisten

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Ja, es gibt ihn. Und er ist auch in der Schulmedizin erstaunlich verbreitet. Der Placebo-Effekt ist die Wirkung eines Medikaments, das eigentlich keinen Wirkstoff enthält. Warum er trotzdem wirkt, wie die Forschung ihn nachweist und in welchen Bereichen wir davon profitieren.

Gibt es den Placebo-Effekt wirklich?

Placebos, also Medikamente ohne medizinischen Wirkstoff, sind für viele ein Mysterium. Doch eigentlich lässt sich der Placebo-Effekt gut erklären und wissenschaftlich nachweisen. Eine Metastudie von Cochrane Database Systematic Reviews analysierte über 200 Placebostudien mit einer Kontrollgruppe ohne Behandlung.

Placebos bewirken nachweisbaren Effekt

Die Genesung der Personen in der Kontrollgruppe belegte die natürliche Selbstheilung unseres Körpers. Der Unterschied in der Genesung zwischen der Kontrollgruppe und der Gruppen, die mit Placebos behandelt wurden, zeigte den Placebo-Effekt. Die Placebos mit Nadeln oder Pseudooperationen wirkten dabei stärker als Tabletten. Die Studie zeigte, Placebos haben nachweisbare Effekte auf:

  • Schmerzen
  • Übelkeit
  • Asthma
  • Angststörungen

Warum wirken Placebos?

Dass sich Beschwerden trotz Scheinpräparat verbessern können, erklären Mediziner mithilfe zweier Mechanismen.

Erstens: Bereits die Erwartung, dass ein Medikament einen positiven Effekt haben wird, kann im Körper entsprechende Reaktionen auslösen. Bei der Konditionierung, der zweiten bekannten Ursache für den Placebo-Effekt, handelt es sich um unsere Erfahrungen. Wenn eine Tablette in der Vergangenheit half, gehen wir davon aus, dass sie auch in Zukunft wirkt. Das aktiviert in unserem Gehirn die nötigen Areale, damit unser Körper selbst mit einer Erkrankung fertig wird. Der Placebo-Effekt vermischt sich dabei mit anderen Prozessen, die bei der Heilung einer Krankheit eine Rolle spielen.

Dimensionen der Heilung

Der Placebo-Effekt als 1 von 4 Dimensionen.

  • Dimension 1: Medikament
  • Dimension 2: natürliche Selbstheilung
  • Dimension 3: Placebo-Effekt
  • Dimension 4: positive Kommunikation

Der Wirkstoff eines Medikaments ist manchmal nur die Spitze des Eisbergs, also der letzte von 4 Bausteinen zur Genesung.

Selbstheilung des Körpers oft unterschätzt

Oft unterschätzt wird der natürliche Verlauf, respektive die Selbstheilung des Körpers ohne äusseres Zutun. Dabei helfen positive Gedanken, die das Immunsystem stärken können. Auch die Kommunikation hat einen Einfluss: Indem Ärztinnen und Ärzte beispielsweise den Nutzen einer Therapie besonders ausführlich erklären, aktivieren sie eine positive Erwartungshaltung und verstärken die Wirkung.

Wofür können Placebos hilfreich sein?

Enthalten starke Medikamente wie Opioide gegen Schmerzen zwischendurch ein Placebo, helfen sie dank der Konditionierung trotzdem und verringern darüber hinaus Abhängigkeiten. Es gibt auch Erkrankungen, die wie der Reizdarm oder Krebs im Endstadium schlecht behandelbar sind. Placebos helfen dann zumindest die Beschwerden zu lindern.

Risiken von Placebos

In manchen Situationen können Placebos allerdings auch gefährlich sein. Versucht man einen gut behandelbaren Tumor mit Homöopathischen Mittel in Schach zu halten, verfliesst wertvolle Zeit. Immer, wenn Abwarten einen Schaden anrichtet, sind Placebos die falsche Wahl.

Wenn medizinische Massnahmen notwendig sind

Je nach Krankheit – zum Beispiel bei einem Armbruch – braucht es zudem eine eindeutige medizinische Massnahme. Die Dimensionen Selbstheilung, Placebo-Effekt und Kommunikation sind in solchen Fällen schlicht wirkungslos.

Werden Placebos bereits bewusst eingesetzt?

Viele alltägliche Leiden wie Kopfweh, Gelenkschmerzen oder Übelkeit gehen praktisch allein durch den natürlichen Verlauf zurück, beziehungsweise bewegen sich in natürlichen Zyklen. Bei solchen Beschwerden lohnt es sich, zuerst mal abzuwarten. Das ist aber gar nicht so einfach. Die meisten Menschen gehen in eine Arztpraxis oder Apotheke, um Medizin zu erhalten. Deshalb greifen auch Fachleute manchmal auf den Placebo-Effekt zurück.

Einsatz in der Hausarztpraxis

So setzen Hausärztinnen und Hausärzte in der Schweiz beispielsweise zu tiefe Dosierungen, pflanzliche Arzneimittel oder Vitamine ein. Auch ein Antibiotikum kann ein Placebo sein, wenn es wie bei einem viralen Husten nicht wirkt. In diesem Fall heilt der Körper den Husten selbst. Dank dem Placebo-Effekt allenfalls ein bisschen schneller als üblich.

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