Social-Media-Sucht: Ursachen, Symptome und Folgen der Abhängigkeit

Eine junge Frau liegt im Bett und hat ihr Blick auf das leuchtende Smarphone gerichtet.

Soziale Medien sind heute allgegenwärtig und obwohl Sie uns einiges bieten, kann es sinnvoll sein, den eigenen Konsum zu hinterfragen. Wie viel Zeit auf Social-Media ist gesund? Wie lange sollten meine Kinder am Handy sein? Wann wird es zu einer Sucht?

Social-Media-Sucht

Soziale Medien bieten uns vieles: Wir können unsere Erlebnisse mit der Welt teilen, mit Freundinnen und Freunden in Kontakt bleiben oder auch neue Beziehungen knüpfen. Social-Media-Plattformen sind in der Schweiz enorm beliebt, vor allem bei den jüngeren Bevölkerungsgruppen. 91% der Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren nutzen sie täglich oder mehrmals pro Woche.

Digitale Abhängigkeit

Hinter den sozialen Medien oder auch sozialen Netzwerken stecken wirtschaftliche Interessen. Deshalb versuchen sie, uns mit technologischen Mechanismen und Algorithmen zu einer möglichst langen und häufigen Onlinenutzung zu bewegen. Dass sich daraus ungesunde Abhängigkeiten entwickeln können, ist nicht verwunderlich.

Jugendliche vermehrt betroffen

Social-Media-Sucht ist eine Form der Online-Sucht; Fachpersonen sprechen auch von internetbezogener Störung. In der Schweiz sind zunehmend Jugendliche von Social-Media-Sucht betroffen, Mädchen häufiger als Jungen. Allerdings weisen Studien auch darauf hin, dass ältere Personen ihr Onlineverhalten oft weniger reflektieren als jüngere und zum Beispiel die Nutzungsdauer unterschätzen.

Was ist Online-Sucht?

Online- beziehungsweise Internetsucht kennt verschiedene Ausprägungen. Allen ist eine problematische Internetnutzung gemein, die zu einem schädlichen Verhalten führt und dann Suchtcharakter annimmt. Dabei macht nicht das Internet an sich süchtig, sondern das im Internet ausgeübte Verhalten und die damit verbundenen Emotionen.

Statistiken zeigen, dass in der Schweiz 3,8% der Bevölkerung ab 15 Jahren von einer problema­tischen Internetnutzung betroffen sind.

Verhaltenssüchte im Internet

Internetsucht zeigt sich in verschiedensten Ausprägungen. Dazu zählen neben der Social-Media-Sucht unter anderem die Videospiel-, die Geldspiel- und die Kaufsucht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) klassifiziert jedoch nur die Videospiel- und Geldspielsucht als Krankheiten. Sie fallen unter die sogenannten «stoffungebundenen Suchterkrankungen».

Wann ist man Social-Media-süchtig?

Ob der eigene Umgang mit Social-Media oder dem Internet problematisch ist, lässt sich häufig nicht einfach beantworten. Denn nicht allein die im Internet verbrachte Zeit ist relevant, eine wesentliche Rolle spielen auch die Auswirkungen auf das Sozialleben, die beruflichen oder schulischen Leistungen und die Gesundheit. Da die Problematik Social-Media-Sucht noch sehr jung ist, fehlt es überdies an Erfahrungswerten.

Laut neueren Studien gilt eine Social-Media-Nutzung von maximal 30 Minuten täglich als unproblema­tisch für die psychische Gesundheit.

Anzeichen einer Social-Media-Sucht

Zur Diagnostizierung von Social-Media-Sucht wurde die sogenannte «Social Media Disorder Scale» entworfen. Sie besteht aus 9 Kriterien. Wer sich in folgenden Aussagen wiedererkennt, könnte selbst betroffen sein:

  1. Wenn Sie anderen Aktivitäten nachgehen, sind Sie oft gedanklich bei den Social-Media-Apps und verspüren das Bedürfnis, nach neuen Nachrichten auf den Apps zu schauen.
  2. Im vergangenen Jahr hatten Sie das Bedürfnis, immer mehr Zeit auf sozialen Medien zu verbringen, und waren unzufrieden, wenn dies nicht möglich war.
  3. Sie fühlen sich oft ruhelos und nervös oder werden ärgerlich, wenn Sie die Apps nicht nutzen können.
  4. Im vergangenen Jahr sind Sie bereits mehrfach daran gescheitert, weniger Zeit auf sozialen Medien zu verbringen, oder konnten sich nicht von ihnen lösen, wenn andere es Ihnen geraten haben.
  5. Sie nutzen soziale Medien, um sich von Problemen abzulenken oder um vor negativen Gefühlen zu entfliehen.
  6. Durch Ihre Social-Media-Nutzung vernachlässigen Sie wichtige berufliche oder schulische Aufgaben, Ihren Schlaf oder geraten regelmässig in Streitigkeiten mit anderen.
  7. Sie verbergen das Ausmass Ihres Konsums und lügen Freunde oder Familie über die Zeit an, die Sie auf sozialen Medien verbringen.
  8. Sie haben weniger Interesse an Ihren Freunden und Ihrer Familie und vernachlässigen Hobbys und Interessen, weil Sie soziale Medien nutzen.
  9. Sie haben ernsthafte Konflikte bei der Arbeit, in der Schule, mit Ihrer Familie oder den Kontakt zu Freunden verloren, weil Sie zu viel Zeit auf Social Media verbringen.

Folgen einer Social-Media-Sucht

Wie bei jeder Sucht können die Folgen einer Social-Media- oder anderen Online-Sucht weitreichend sein. Die ausgedehnte Bildschirmzeit führt in der Regel zu Bewegungsmangel und allgemein einem ungesünderen Lebensstil. Folge ist eine schlechtere Gesundheit. Zudem vernachlässigen Betroffene oft ihre sozialen Kontakte und leisten weniger im Beruf oder in der Schule, was Konflikte auslöst.

Auswirkungen auf die Psyche

  • Angst vor dem Verpassen: Studien haben gezeigt, dass man oft unter dem Zwang steht, immer erreichbar zu sein, wenn man viel Zeit in den sozialen Medien verbringt. Ausserdem bekommt man Angst, etwas Wichtiges zu verpassen. Das nennt man auch «fear of missing out» oder kurz «FOMO».
  • Selbstwertgefühl: In sozialen Medien werden wir häufig mit unrealistischen Bildern, Erwartungen und stereotypen Geschlechterdarstellungen konfrontiert. Wir neigen dazu, uns zu vergleichen, was unser Selbstwertgefühl und Körperbild oft schwächt. Hier spricht man vom «Compare-and-Despair»-Syndrom.
  • Konzentrationsschwierigkeiten: Die Mehrheit der Fachleute geht davon aus, dass der Konsum sozialer Medien die Aufmerksamkeitsspanne senkt und unsere Konzentrationsfähigkeit schwächt.
  • Einsamkeit: So paradox es klingt – es ist möglich, dass ausgeprägte Nutzung sozialer Medien zu sozialer Isolation und Einsamkeit führt.
  • Schlechter Schlaf: Unter der missbräuchlichen Nutzung von Social Media leidet oft auch der Schlaf. Die Müdigkeit beeinträchtigt den Alltag und schwächt die Psyche, was das Schlafen noch mehr erschwert – ein Teufelskreis.

So hat Silvan die Social-Media-Sucht erlebt und überwunden

Silvan war täglich bis zu 11 Stunden am Smartphone. Job und Beziehungen litten darunter. Irgendwann realisierte er: So kann es nicht weitergehen und begab sich in Behandlung.
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Social-Media-Sucht und psychische Erkrankungen

Social-Media-Sucht und andere internetbezogene Störungen kommen gehäuft im Zusammenspiel mit anderen psychischen Erkrankungen vor. Studien zeigen, dass Online-Sucht vermehrt mit depressiven Symptomen, Suizidalität, Angststörungen oder ADHS auftritt. Online-Sucht kann eine Ursache für eine psychische Erkrankung sein oder auch ein Symptom einer psychischen Krankheit.

Behandlung einer Social-Media-Sucht

Die Behandlung jeder Abhängigkeit erfordert eine starke Willenskraft. Als erster Schritt wird oft Abstinenz empfohlen. Beim Internet ist komplette Abstinenz über längere Zeit besonders schwierig, weil es stark in unseren Alltag eingebettet ist. Deshalb ist eine kontrollierte Nutzung von Social Media sinnvoll. Auf Suchtberatungsstellen können Betroffene professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. In extremen Fällen ist eine Entwöhnungstherapie erforderlich.

Psychologin Rebecca Dittmann über die Social-Media-Sucht

In dieser Episode von «Hallo Gesundheit» erklärt Rebecca Dittmann, warum Social Media derart süchtig machen und wie man als Eltern seinen Kindern einen guten Umgang mit Social Media beibringt.
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Wie viel Bildschirmzeit ist für Kinder gesund?

Eine einheitliche Antwort auf diese Frage gibt es nicht, denn jedes Kind reagiert anders auf Medien. Wichtig ist, bereits Kindern allgemeine Medienkompetenzen und einen kontrollierten Umgang mit ihrer Bildschirmzeit beizubringen. Die Art der Inhalte und weshalb sie von den Kindern konsumiert werden, spielen ebenfalls eine grosse Rolle. In erster Linie sollte man darauf achten, dass das Verhältnis zwischen Offline-Aktivitäten und Medienkonsum stimmt.

Empfehlung: Bildschirmzeit und Medienkonsum für Kinder

Eine Orientierungshilfe bietet die 3-6-9-12-Faustregel des Psychoanalytikers Serge Tisseron mit folgenden Richtwerten: kein Fernsehen vor 3 Jahren, keine Spielkonsole vor 6 Jahren, Internet nach 9 Jahren und soziale Medien nach 12 Jahren. Für die Bildschirmzeit gelten folgende Richtwerte:

Empfehlungs-Tabelle für die Bildschirmzeit von Kindern

  Empfohlene Zeit des Medienkonsums
Unter 3 Jahren Kleinkinder sollten generell keine Zeit vor Bildschirmen verbringen. Möglich sind einzig kurze interaktive Sequenzen im Beisein eines Erwachsenen.
Bis 6 Jahre In diesem Alter sollten Kinder maximal 30 Minuten pro Tag im Beisein eines Erwachsenen Bildschirmmedien nutzen.
Bis 9 Jahre Eine Bildschirmzeit von maximal 5 Stunden in der Woche ist angemessen.
Bis 12 Jahre Für ältere Kinder ist es angemessen, maximal 10 Stunden pro Woche vor dem Bildschirm zu verbringen.
Ab 12 Jahren Jugendlichen sollte man keine strikten Vorgaben zur Bildschirmzeit machen. Sinnvoll ist vielmehr, Regeln mit ihnen auszuhandeln. Problematisch ist eine wöchentliche Bildschirmzeit über 20 Stunden in der Freizeit. Mobiltelefone sollten nachts ausgeschaltet sein.

Generell gilt: Bildschirmmedien eignen sich nicht als Belohnung oder Bestrafung, da deren Bedeutung so nur noch verstärkt wird.

Über den Medienkonsum sprechen

Früher oder später nutzen Kinder Medien und das Internet eigenständig. Deshalb ist es wichtig, ein offenes Umfeld zu schaffen, in dem Kinder und Jugendliche über ihre Erfahrungen mit digitalen Medien sprechen können. Das bietet Schutz vor problematischer Mediennutzung.

Wie viel Bildschirmzeit ist für Erwachsene gesund?

Auch für Erwachsene ist eine gute Balance zwischen Online-Mediennutzung und Offline-Aktivitäten wichtig. Besonders wenn im Beruf schon viel Zeit vor dem Computer verbringt, sind bildschirm- und handyfreie Zeiten sinnvoll. Zudem sollte die Zeit vor dem Zubettgehen möglichst handyfrei sein.

Tipps zur Begrenzung der Bildschirmzeit

Besonders das Handy verführt zu übermässiger Nutzung. Mit folgenden Tipps lässt sich die Bildschirmzeit besser kontrollieren:

  • Messen und begrenzen: Auf den meisten Geräten kann man heute die Bildschirmzeit messen und die Nutzungsdauer von Apps einschränken.
  • Push-Benachrichtigungen deaktivieren: Push-Benachrichti­gungen animieren zur Nutzung; sie in den Geräteeinstellungen zu deaktivieren, gibt hier Gegensteuer.
  • Graustufen-Modus: Den Graustufen-Modus auf dem Handy zu aktivieren, kann auch sehr hilfreich sein. Bunte Farben ziehen automatisch unsere Aufmerksamkeit auf sich. In diesem Modus wirkt das Handy für unsere Augen uninteressanter.
  • Gerätefreie Zonen: Daheim Bereiche definieren, wo digitale Geräte verboten sind (zum Beispiel das Ess- oder Schlafzimmer).


Quellen

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