Transgenerationale Trau­ma­ta: kann ein Trauma vererbt wer­den?

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Extrem traumatisierende Erlebnisse können die Psyche von Menschen stark belasten. In manchen Fällen so stark, dass selbst ihre Nachkommen über mehrere Generationen die Folgen tragen. Was hinter trans­ge­ne­ra­tionalen Traumata steckt.

Ein Trauma ohne Grund?

Eine junge Patientin wendet sich aufgrund verschiedener psychischer Leiden an einen Psychotherapeuten. Panikattacken, Albträume und Angst vor Berührung plagen die junge Frau in Situationen körperlicher Nähe. Ihre Symptome diagnostiziert der Therapeut als Folgen einer Traumatisierung durch sexuelle Gewalt. In der Biografie der Patientin finden sich jedoch keine erschütternden Ereignisse, die ihre Leidenszustände erklären. Ein anderes Bild zeichnet die Familiengeschichte der Patientin. Missbrauch und Misshandlung hat sich Generation für Generation in der Familie immer wieder wiederholt. Können Traumata also vererbt werden?

Indirekte oder sekundäre Traumatisierung

Es besteht durchaus die Möglichkeit einer Traumatisierung, ohne direkt ein traumatisierendes Ereignis zu erleben. Die Psychotherapie bezeichnet dies als indirekte oder auch sekundäre Traumatisierung. Menschen entwickeln dabei posttraumatische Symptome, zum Beispiel durch die Beschreibung eines traumatisierenden Erlebnisses oder auch durch den Umgang mit traumatisierten Personen.

Wer davon betroffen ist

In vielen Fällen sind davon Therapeuten betroffen oder Angehörige, welche die Genesung traumatisierter Personen unterstützen. Teilweise können aber auch die Nachkommen von Trauma-Opfern eine Traumatisierung entwickeln – sogenannte transgenerationale Traumata.

Was ist ein trans­ge­ne­ra­tio­nales Trauma?

Von einem transgenerationalen Trauma spricht man, wenn ein Trauma an eine der nachfolgenden Generationen weiter­ge­geben wird. Wird das Trauma an die direkt folgende Generation weitergegeben, spricht man noch von einer sekundären Traumatisierung. Ab einer Weitergabe an die dritte Generation sprechen Experten von einer trans­ge­ne­ra­tio­nalen Traumatisierung.

Was sind die Symptome von trans­ge­ne­ra­tio­nalen Traumata?

Eine transgenerationale Traumatisierung wirkt sich auf verschiedene Aspekte des Lebens, wie Fantasie, Selbstbild, emotionales Erleben und unbewusstes Handeln, aus. Die Symptome eines transgenerationalen Traumas sind sehr individuell, wobei sie denjenigen der Eltern ähneln können. Oft sprechen Familien jedoch nicht über die Traumata im eigenen Kreis, wodurch die Zuordnung möglicher Symptome erschwert ist.

Mögliche Beschwerden trans­ge­ne­ra­tio­naler Traumatisierung

Zu den Beschwerden gehören sowohl die in der internationalen Klassifikation (ICD-10) festgelegten Symptome von Trauma­folge­störungen, als auch unspezifische Beschwerden, wie zum Beispiel:

  • Angststörungen
  • Depressive Verstimmungen
  • Schlafstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten
  • Unerklärbare Körperbeschwerden
  • Suchterkrankungen
  • Beeinträchtigtes Selbstvertrauen
  • Identitätsstörungen und gestörtes Sozialverhalten

Wie kann man trans­ge­ne­ra­tio­nale Traumata auf­lösen?

Transgenerationale Traumatisierung kann in der Regel mit den Methoden der Traumatherapie verarbeitet werden. Dabei betrachten Therapeuten und Therapeutinnen in der Therapie verstärkt die Familienbiografie sowie die Kommunikation und Beziehungen innerhalb der Familie des Betroffenen.

Wie ein Trauma weiter­ge­geben wird

Ein Trauma kann dann über Generationen weitergegeben werden, wenn es nicht oder nur unvollständig aufgearbeitet ist. Man geht davon aus, dass die psychische Belastung einer traumatisierten Person sich direkt oder indirekt auf den Umgang mit den eigenen Kindern auswirkt. Durch diese Einflüsse und Belastungen können die Kinder innere Konflikte entwickeln und diese wiederum an ihre eigenen Kinder weitergeben. Als Folge können traumatisierende Erfahrungen Auswirkungen auf die Psyche mehrerer Generationen von Nachkommen haben.

Komplexe Erklärungsansätze

Die genauen psychologischen Prozesse hinter dieser transgenerationalen Weitergabe von Traumata sind jedoch komplex und umstritten. In der Forschung finden sich teilweise widersprechende Erklärungsansätze dafür, warum Traumata überhaupt transgenerational weitergegeben werden. Forschende haben ausserdem erkannt, dass die Epigenetik bei der Trauma-Weitergabe eine Rolle spielt. Einigkeit besteht darin, dass eine Trauma-Übertragung auf nachfolgende Generationen nicht zwingend stattfindet.

Zum einen können die Reaktionen auf ähnliche Erlebnisse individuell sehr unterschiedlich sein, zum anderen gibt es Kinder mit trauma­tischen Erfahrungen, die nicht psychisch erkranken.
Prof. Dr. phil. Angela Moré

Forschung in der Arbeit mit Überlebenden des NS-Regimes

Das Phänomen «transgenerationales Trauma» wird besonders seit den 1960er Jahren in der Arbeit mit Nachkommen von Holocaust-Überlebenden untersucht. Wissenschaftlerinnen stellten fest, dass manche Nachkommen von Holocaust-Überlebenden an bestimmten, psychischen Symptomen leiden, die mit der elterlichen oder grosselterlichen Traumatisierung im Zusammenhang stehen.

Positive Umwertung des Traumas

Bemerkenswert ist aber auch, dass eine Auseinandersetzung mit den traumatischen Erlebnissen der Eltern bzw. Grosseltern zu einer positiven Umwertung der ererbten Wunden führen kann. So konnten Forschende bei Shoah-Nachkommen auch des Öfteren ein hohes Mass an Widerstandsfähigkeit beobachten.

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